Praxishandbuch
Grundlagen Themenstellungen Arbeitsfelder Praxisbeispiele
Väter und Kirche
Männer sind bei den ehrenamtlich Mitarbeitenden nur mit ca. 30 % vertreten.
Kirche spielt heute nur noch für eine Minderheit von Männern eine Rolle. Die
überwiegende Anzahl der Themen, die Männer in ihrem alltäglichen Leben
beschäftigen, kommen in der Kirche nicht vor. Selbst als Väter von Täuflingen oder
Konfirmandenkindern werden sie von den Leitungsorganen nur selten
wahrgenommen.
Einem weiterhin festzustellenden Rückgang der Beteiligung von Männern in den
Gemeinden der evangelischen Landeskirchen muss begegnet werden.
Angebote für Väter sind noch nicht ausreichend in den Gemeinden vorhanden.
(Projekt "Zeit für Kinder - Familienverantwortung von Vätern unterstützen" erreicht
ca. 7-10 % der Kitas). Die Männergruppen und Kreise nehmen zwar insgesamt
seit Jahren kontinuierlich zu, liegen allerdings im Vergleich mit den Angeboten für
Frauen auf einem zahlenmäßig niedrigeren Level.
Väter brauchen verstärkt männerspezifische - nicht männerdominante! - Angebote,
die ihnen einen neuen Zugang zu Kirche ermöglichen. Die Männerstudie ("Männer
in Bewegung, 2009) zeigt, dass die religiöse Offenheit und das Ansehen von
Kirche bei den Männern in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben.
In diesem Zusammenhang spielt gerade unter der Perspektive des Prozesses
"Missionarisch Kirche sein" (EKiR) eine wichtige Rolle. Die Kirche muss deswegen
diese Entwicklung um ihrer eigenen Profilierung willen konstruktiv begleiten und
unterstützen.
Evangelische Männerarbeit versteht sich als Beitrag gegen die ekklesiologisch
problematische Vereinseitigung der Kirche, in der Männer immer noch, wenn sie
denn in ihr aktiv sind, es eher in Leitungsfunktionen sind, in der aber Frauen das
alltägliche Bild prägen. (Wie es das Schlagwort von der "männerdominierten
Frauenkirche" ausdrückt.)
Als Teil lebendiger Gemeinde bringen Männer ihre Lebensbezüge, Erfahrungen
und Hoffnungen ein. Männer stehen zu ihrem Mannsein und bringen sich
selbstbewusst und selbstkritisch in Kirche und Gesellschaft ein.
Männer als Väter
Die Arbeit mit Vätern wendet sich besonders an Männer zwischen 25 und 45
Jahren. Das ist die Gruppe von Männern, die die höchsten Kirchenaustrittswerte
aufweist. Väter-Arbeit eröffnet neue Zugänge in dieser Altersgruppe von Männern,
die sonst im Gemeindeleben eher selten auftauchen. Von hier aus nimmt sie
neuerdings auch ganz neue Zielgruppen in den Blick: z. B. ältere Männer als
Großväter.
Kirche hat die Aufgabe, Männer bei der Suche nach tragenden Gewissheiten,
ermutigenden Visionen und sinnstiftenden Werten auch in der Aufgabe als Vater
zu unterstützen. Damit erhält dieser Arbeitsbereich eine besondere Bedeutung im
Hinblick auf den missionarischen Auftrag.
Perspektiven
Wenn wir nun Väter als neue Zielgruppe entdecken und sie verstärkt in den Fokus
nehmen, dann dürfen sie keinesfalls als Objekte kirchlichen Handelns betrachtet
werden. Sie wollen als Subjekte angesprochen werden. Dazu gehören laut einer
Studie der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau zum Thema "Männer
und Ehrenamt":
•
Ein großer Anteil von Vätern/Männern steht einem Engagement in der
Kirche offen gegenüber.
•
Sie brauchen einen Raum zur Mitgestaltung - Väter wollen aktiv werden
•
Sie sind sensibel für den Eindruck, "betreut" werden zu sollen. Eine
"Betreuungskirche" lehnen sie ab.
•
Männer wollen direkt und persönlich angesprochen werden auf eine
konkrete Mitarbeit hin, die ihren Kompetenzen und Interessen entspricht.
Es geht darum, Vätern als "Zielgruppe" nicht zu instrumentalisieren, sondern mit
ihren Möglichkeiten und ihren Wünschen einzubeziehen. Das erfordert ein
genaues Hinsehen und in Folge das Verändern der Zugänge. Männer sind anders
ansprechbar. Sie stehen Vielem, was Kirche bietet auf der einen Seite offen
gegenüber. Wenn es aber um die Einforderung eines Engagements geht, sind sie
sehr reserviert. Es sei denn sie spüren, dass es um sie selbst geht und sie nicht
als Mitglieder der Kirche vereinnahmt werden sollen.
Kirche muss Männern auch etwas anzubieten haben, dass sie in ihrem
persönlichen Werdegang und alltäglichen Leben als wertvoll empfinden. Wenn
Kirche - zum Beispiel in der Familienbildung, in der Männerarbeit oder in der
Ortsgemeinde eine neue Väterlichkeit fördern will, dann hilft sie zugleich den
Männern bei der Suche nach einer neuen Identität.
In vielen Landeskirchen wird zurzeit darüber nachgedacht, das Konzept des
Gender-Begriffs an die Stelle der klassischen Männer- und Frauenarbeit zu
setzen. Dies geschieht nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der möglichen
Einsparung von Finanzen. Angebote für Männer und Väter sind demgegenüber
ausdrücklich als Gender-Arbeit zu verstehen, denn wenn es dort um die
Berücksichtigung der jeweiligen geschlechtsspezifischen Interessen geht, dann
wird dies mit einer an den Bedürfnissen der Väter orientierten Arbeit geleistet. Das
ist bei einer Vermischung in einem Genderreferat so nicht leistbar. Nach wie vor ist
geschlechtsspezifische Arbeit jeweils für Männer und Frauen nötig.
Die Situation in den Gemeinden
Das kirchliche Gemeindeleben ist überwiegend von Frauen und damit von einem
"weiblich geprägten" Zugang bestimmt. Vaterschaft spielt noch nur eine kleine
Rolle in der kirchlichen Welt, was vermutlich auch z. T. das Fernbleiben der
Männer in den mittleren Lebensjahren erklärt.
Väter-Arbeit erreicht ihre Zielgruppe verlässlich. Dies zeigen Erfahrungen mit
Angeboten an Väter und Kinder, die die Interessen der Väter treffen. Kirche ist ein
Ort, an dem sich bewusst mit den Fragen von Vätern an ihre Vaterschaft
auseinandergesetzt werden kann, wie dies kaum sonst geschieht. Sie ist
hinsichtlich ihrer Absichten politisch unverdächtig, ihr muss es um die Menschen
gehen, andere Interessen hat sie nicht. Sie bietet Räumlichkeiten, in denen sich
Väter treffen und austauschen können.
Im Rahmen der Vater-Kind-Arbeit lassen sich viele Aktivitäten entwickeln. Bewährt
hat es sich, zunächst mit einem Angebot am Samstagvormittag für Väter und
Kinder zu beginnen, Zwei- bis viermal mal im Jahr, ergänzt durch Ganz-Tages-
Veranstaltungen oder Wochenenden mit Erlebnischarakter. Wichtig ist, dass die
Verantwortlichen möglichst selbst Väter sind und einen langen Atem mitbringen.
Väter-Kinder Arbeit ist in der Regel als Projekt angelegt, d. h. es gibt keine
regelmäßig, wöchentlich oder monatlich statt findenden Treffen, sondern einzelne
Angebote übers Jahr verteilt, bei denen eine regelmäßige Teilnahme nicht erwartet
wird.
Eine Reihe von Kirchengemeinden und Familienbildungsstätten realisieren mit
gutem Erfolg seit Jahren Väter-Kinder-Angebote. Diese Aktivitäten sollten
gefördert und ausgeweitet werden. Auch in Kindertagesstätten bieten sich gute
Möglichkeiten, die Väter zu beteiligen, sie zu stärken und damit den Familien zu
helfen. Die Männerarbeit wünscht sich eine stärkere Beachtung und Bearbeitung
dieses Themas in diesem wichtigen Arbeitsfeld der Gemeinden. Sie ist gerne
bereit, Kirchengemeinden, Kindertagesstätten, Familien-Bildungsstätten und
Einrichtungen der Erwachsenenbildung dabei zu unterstützen.
Möglichkeiten Väter zu aktivieren:
•
Väter-Kind-Abende im Kindergarten
•
Väter-Kind-Angebote
o
an Samstagvormittag/Samstagen mit Spiel- und Kreativprogramm
o
Wochenendfreizeiten mit Zelt und Kanu oder im festen Haus:
Programm ergibt sich aus der gemeinsam zu gestaltenden Zeit mit
Essen Vorbereiten, Spielen, Aktionen und abendlichen Väter-
Gesprächen
•
Abende für Konfirmanden-Väter
•
Väter-Kind-Aktionen zum "Vater-Tag" oder anderen Zeiten
•
Väter-Themen an Abenden (Förderung der Kinder, meine Unsicherheiten in
der Erziehung, Was ist ein "guter" Vater? usw.)
•
Predigtreihen zum Thema Väter-Kinder entwickeln
Den Gemeinden, Kirchenkreisen, und übergemeindliche Werke und Einrichtungen
der evangelischen Landeskirchen stehen vonseiten der Männerarbeit
Erfahrungsberichte, Arbeitshilfen und Hintergrundinformationen zur Verfügung.