Praxishandbuch
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Theologische Perspektiven auf Väter und ihre Kinder
Der Mensch ist nach biblischem Verständnis ein Geschöpf Gottes. Er verdankt sein
Leben nicht sich selbst. Darum ist er dem Schöpfer gegenüber verantwortlich für
sein Leben und das Leben anderer, insbesondere seiner Kinder.
1.
Theologische Grundlegung
"Siehe, Kinder sind eine Gabe des Herrn" (Psalm 127, 3)
"Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, damit sie nicht scheu werden." (Kolosser 3,21)
Wo in der Bibel die Rede von Kindern ist, geschieht dies vor dem Hintergrund einer
patriarchal geprägten Gesellschaft mit klaren Vorstellungen für das Verhalten von
Frauen, Männern und Kindern. Sie galten unhinterfragt. Allerdings macht die
prophetische Kritik an Ungerechtigkeit nicht an der Eingangstür zur Familie halt,
wenn es beispielsweise um die Benachteiligung von Witwen und Waisen geht.
So gesehen, wird in der Bibel wenig explizit über das Verhältnis der Väter zu ihren
Kindern ausgesagt. Es ist eingebunden in eine klare Struktur, in der der Entwicklung
von Kindern und ihren Bedürfnissen keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt
wurde. Sie gab das Maß vor für den Umgang mit den Kindern. Aber es gibt auch
andere Aussagen als die bekannten, die die Pflicht der Kinder betonten, z. B. aus
den 10 Geboten: "Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren" (2. Mose 20,12)
oder im Kolosserbrief 3,20, wo es heißt: "Ihr Kinder, seid gehorsam den Eltern in
allen Dingen".
In Psalm 127,3 lesen wir "Siehe, Kinder sind eine Gabe des Herrn". Sie sind
anvertraut, Geschenk, nicht zu Empfängern einer willkürlichen Machtausübung
bestimmt.
Im Neuen Testament wird dies im Reden und Tun von Jesus Christus noch
deutlicher.
Matthäus 19,13 (par: Mk 10,13-16; Lk 18,15-17): "Da wurden Kinder zu ihm
gebracht, damit er die Hände auf sie legte und betete. Die Jünger aber fuhren sie
an. Aber Jesus sprach: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht;
denn solchen gehört das Himmelreich." Kinder sind keine rechtlosen Wesen,
sondern bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit und können sogar zum guten
Beispiel für die Erwachsenen werden.
Erstaunlich ist es auch, wenn der Verfasser des Kolosserbriefes im Anschluss an
den o. g. Vers 3,20 die Väter auffordert: "Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, damit
sie nicht scheu werden." (3,21) Ähnlich auch der Epheserbrief Kapitel 6, 4. Väter
sollen ihre Autorität und Macht so einsetzen, dass sie ihren Kindern nicht das
Selbstvertrauen nehmen. Kinder ohne solches Selbstvertrauen würden "scheu", sie
wären übervorsichtig, hätten Schwierigkeiten, ihren Platz zu finden, und wenig
Gewissheit über die eigenen Potentiale. Wer sich "scheu" verhält, kann nicht mehr
angemessen auf die Wirklichkeit reagieren. Die Abhängigkeit der Kinder von ihren
Eltern darf von den Vätern, wie auch den Müttern, nicht rücksichtslos und
gedankenlos um den Preis der Zerstörung des kindlichen Selbstbewusstseins
missbraucht werden.
Das Ziel der Vater-Kind Beziehung sollte ein offenes, nicht von Angst besetztes,
mutiges Kind sein: ein Kind mit Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, mit dem
Wissen, auch Fehler machen zu dürfen und dem Mut, seine eigene (Um)-Welt zu
erobern.
Dazu noch einmal Jesus, der Kinder als besonders zu schützende Geschöpfe
ansieht, wie in Matthäus 18,6 deutlich wird: "Wer aber einen dieser Kleinen, die an
mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an
seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist."
Auf das Verhältnis von Vätern und Kinder bezogen, lässt sich sagen: Ihr Väter,
bringt euch liebevoll in die Beziehung zu euren Kindern ein. Eure Aufgabe ist es,
Kinder mutig zu machen, ihnen die Angst zu nehmen, die sich im Leben an so vielen
Stellen breit macht. Kinder bedürfen einer liebevollen Begleitung, um als
Erwachsene sich dem Leben mit all den Unwägbarkeiten stellen zu können, um
geistig und emotional mit den Widrigkeiten des Lebens fertig werden zu können.
Sie bedürfen ebenso der besonderen Aufmerksamkeit. Es ist weder angemessen,
sie zu vergöttern oder zu verhätscheln, noch sie sich selbst zu überlassen, in der
Hoffnung, es wird schon "irgendwie werden".
2.
Konsequenzen:
Die biblische Tradition betont den Wert des Menschen, indem sie ihn als Ebenbild
Gottes beschreibt. Seine Würde ist unantastbar, wie es auch das Grundgesetz
ausführt.
Das ist auf jedes menschliche Wesen übertragbar, auch auf die Kinder dieser Welt.
Ihr Wert besteht unabhängig von einem ökonomischen Nutzen. Dies muss auf allen
Ebenen des gesellschaftlichen Lebens eingefordert werden. Menschliches Leben
darf nicht zur Ware verkommen. Wir müssen dafür eintreten, dass es Mittelpunkt
des Lebens bleibt oder wird. Leben kann nur als Geschenk begriffen werden,
theologisch gesprochen: als Gnade. Nur in dieser Bedeutung wird der Mensch nicht
zum Spielball anders gearteter Interessen. Alle gesellschaftlichen Kräfte, von den
Arbeitgebern, den Gewerkschaften, bis zu den Kirchen und Verbänden, müssen den
Wert von Kindern neu in den Blick nehmen (oder, wo notwendig, auch wieder neu
lernen). Ohne Kinder hat eine Gesellschaft keine Zukunft. Die Aktienrendite und der
schnelle Profit sind nicht das Maß aller Dinge.